Es begleitet uns von Anbeginn an durch das ganze Leben:
Immer wieder müssen wir etwas loslassen.
Alltag loslassen
Wenn wir auf Reisen gehen, verabschieden wir uns von unserem zu Hause, von Familie und Freunden. Bei diesem Abschied überwiegt meist die Freude auf eine neue aufgregende Zeit – vielleicht in einem anderen Land. Oder wir freuen uns auf Ruhe, Ausspannen und möchten uns mal verwöhnen lassen. Für kurze Zeit mal den Alltag hinter sich lassen.
Wenn die Zeit im Urlaub um ist, heißt es auch hier wieder Abschied nehmen und die schöne fremde Zeit los lassen. Was bleibt, sind die Erinnerungen.
Loslassen bei Krankheit
Viel schwerer fällt uns Loslassen, wenn ein lieber Mensch ohne Aussicht auf Heilung schwer erkrankt oder gar plötzlich und unerwartet aus dem Leben tritt. Da wir an der Situation nichts ändern können, bleibt uns nichts anderes als sie anzunehmen und den geliebten Menschen loszulassen: „Du darfst gehen.“ Manche Menschen können trotz großer Not nicht sterben, weil ihre Angehörigen sie nicht gehen lassen.
Loslassen von Schuld
Dann gibt es noch das Loslassen von Schuld. Es geht um den Umgang mit eigener Schuld und mit dem Vergeben von fremder Schuld. Bei ersterem muss ich mir vergeben, was oft sehr schwer ist, weil wir uns oft der ungnädigste Richter sind: Warum habe ich nicht….? Hätte ich doch….! Wenn wir es nicht schaffen, diese Gedanken einzudämmen, können sie uns zerstören.
Mit fremder Schuld ist es genauso. Wenn wir es da nicht schaffen zu vergeben, frisst es uns immer mehr auf.
Warum ist Vergebung so wichtig?
Ich habe lange nicht verstanden, warum die Kirche der Vergebung einen so hohen Stellenwert einräumt – bis ich es dann selbst erfahren habe.
Nach einem heftigen Streit mit einer nahe stehenden Person fühlte ich mich anfangs noch vollkommen im Recht: Mit dieser Person will ich nichts mehr zu tun haben! Aber so einfach ist das nicht: morgens waren meine ersten Gedanken bei dem Streit und wer was alles gesagt hat. Dabei loderte die Wut wieder richtig hoch. Und so ging das über den ganzen Tag, Woche um Woche, Monat um Monat…. Da die Wut durch meine Gedanken immer wieder neues Futter erhielt, wurde sie auch nicht schwächer. Irgendwann merkte ich dann, dass ich damit immer unfreier und verbitterter wurde. Die Gedanken haben mich regelrecht beherrscht. Das hätte ich nie gedacht, wenn ich es nicht selbst erlebt hätte.
Im Gespräch mit einem Priester sagte der mir, dass ich die negativen Gedanken nur los werde, wenn ich dem anderen aktiv vergebe und für ihn bete. In meinen Gebetszeiten sollte ich regelmäßig laut bekennen: „Ich vergebe Dir!“
Die ersten Male dachte ich, dass ich an den Worten ersticke und sie wollten mir nicht über die Lippen kommen. Der Priester sagte, dass das nicht schlimm wäre. Wichtig wäre, es trotzdem immer wieder laut auszusprechen, auch wenn meine Gefühle dabei alles andere als freundlich und vergebend seien.
Irgendwann merkte ich, wie die Last, die ich mir selbst durch meine Unversöhnlichkeit geschaffen hatte, leichter wurde. Am Ende war es mir mit dem Vergeben sogar ernst und wir haben es auch tatsächlich wieder geschafft, uns langsam und vorsichtig anzunähern.
Dafür bin ich heute noch sehr dankbar und versuche, eine Situation nicht mehr so weit kommen zu lassen, wenn ich das vermeiden kann.
Tu dir was Gutes!
Mir wurde immer mehr klar, worum es bei Vergebung eigentlich geht. Da geht es in erster Linie nicht um den anderen Menschen, der mich tief verletzt hat; da geht es um mich selbst und um meinen Seelenfrieden, meine Freude. Es geht auch um meine Freiheit: ich werde nicht mehr von meinen Gedanken beherrscht. Vergeben ist also Wellness für die Seele!
Trauer und Schuld
Letztens habe ich in einem Trauerfall mitbekommen, dass die Angehörigen das Gefühl haben, dass der liebe Ehepartner eventuell durch Fehlverhalten des Krankenhauses verstorben ist. Durch Corona konnte der Kranke nicht besucht werden und die Angehörigen vermuten, dass sie deshalb keine Möglichkeit hatten, auf Missstände hin zu weisen, die ihnen vor Ort sicher aufgefallen wären.
Das ist schlimm! Neben dem Verlust des geliebten Menschen machen sich die Angehörigen selbst Vorwürfe, dass sie den Kranken im Stich gelassen haben, obwohl sie am Besuchsverbot nichts ändern konnten. Außerdem geben sie dem Krankenhaus die Schuld, das die Situation des Patienten falsch eingeschätzt hätte.
Egal ob an diesen Vorwürfen was dran ist oder nicht, für die Angehörigen steckt da eine Menge Gift drin. Die Schuldfrage kann vielleicht nie geklärt werden. Den Tod des geliebten Menschen macht es nicht mehr rückgängig. Um gesund trauern zu können, geht es darum, seinen Seelenfrieden zu finden und dazu müssen diese Gedanken und Vorwürfe los gelassen werden. Das ist nicht einfach, aber dringend notwendig, wenn man am Ende nicht verbittern will. Auch wenn das Gebet derzeit nicht möglich ist, weil man auch von Gott maßlos enttäuscht ist, hilft es trotzdem, immer wieder wie ein Mantra zu wiederholen: „Jesus, ich vergebe …..! Hilf meinem Unglauben!“

Irgendwann wird sich ein anderes Gefühl einstellen, auch wenn das jetzt nicht vorstellbar ist.
Kleiner Tipp zum Loslassen
Wenn euch irgendetwas Sorgen macht, beschäftigt oder gar fesselt, dann schließt die Augen und stellt euch vor, ihr habt jede Menge bunte Luftballons in der Hand. Ihr gebt z. B. dem grünen Luftballon eure Sorge um einen lieben Menschen mit und lasst ihn los. Schaut ihm nach bis er am Horizont verschwindet und dann lasst den nächsten Ballon steigen.